Das Rotlicht-Experiment | Geistlicher Impuls | 29.03.2023
Bild: Susanne Demmel-Brunner (Entwurf Fenster) / Peter Weidemann (Foto) In: Pfarrbriefservice.de

Das Rotlicht-Experiment | Geistlicher Impuls | 29.03.2023

Vor einiger Zeit habe ich mir in einer Katechese im Gottesdienst ein kleines Experiment erlaubt: Ich hielt ein weißes Blatt Papier in der Hand. Das war nichts Neues, vielen vertraut. Dann ging ich zu einer Kerze und, keine Sorge, es wurde nichts verbrannt. Nein, ich hielt es in den Lichtschein der Kerze. Noch deutlicher wurde es mit einer kleinen Lampe, die deutlich rotes Licht auf das Blatt strahlte: Im roten Lichtschein wird das weiße Blatt rot. Es ändert seine Farbe.

Ganz genau betrachtet, hat sich das Blatt natürlich nicht verändert. Tatsächlich ist es unsere Wahrnehmung, die sich wandelt. Das Blatt selbst reflektiert nur das eingehende Licht, zunächst das gebündelte Tageslicht, völlig weiß. Mit Hilfe der Kerze und einer Lampe schien das Blatt schließlich in einem anderen Licht.

Wenn wir in den vergangenen Wochen von Jesus Christus, als dem „Licht der Welt“ in den Lesungen hörten, erinnere ich mich gerne an dieses Experiment. Durch meinen Glauben, als Christ, sehe ich die Welt „mit anderen Augen“. Zumindest vermute ich das, denn dieser Gedanke stößt weitere Fragen an:

  • Stimmt das? Würde ich die Welt anders sehen, wenn ich nicht gläubig wäre?
  • Was verändert sich für mich, dadurch dass ich glaube?
  • Verhalte ich mich anders?

So kurz vor Palmsonntag denke ich auch daran, wie wir vom feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem hören. Wir wissen längst, was sich diesen Trubel anschließt. Noch am gleichen Sonntag hören wir die Passion. Auch hier überschattet das Wissen, wie es weitergeht, all den Jubel. Vielleicht ist das eine Erklärung, weshalb die Jünger über alle die Wundertaten schweigen sollten, bevor sie die Auferstehung miterleben durften. Alle Wunder, die Jesus bewirkt hat, dienen nicht der Selbstdarstellung. Nein, durch die Konsequenz, bis in das Leid und den Tod hinein zu den Ausgestoßenen zu halten, strahlen auch alle vorherigen Taten in einem neuen Licht, in einem Licht von Solidarität, Empathie und Liebe. Auch wir können dieses Licht weiterstrahlen lassen, es reflektieren, wie ein weißes Blatt Papier.

Ihr Stephan Napieralski, Gemeindereferent

Menü schließen