Ökumenische Bibelwoche zum Buch Daniel – online! Teil III

Ökumenische Bibelwoche zum Buch Daniel – online! Teil III

Ökumenische Bibelwoche 2022

Leider müssen wir coronabedingt die Ökumenische Bibelwoche in Altglienicke absagen. Aber Sie sollen nicht ersatzlos gestrichen sein. Vielmehr wollen wir Ihnen doch kleine Einblicke in das Buch Daniel geben – Anregungen zum eigenen Weiterlesen, Nachsinnen, Weiterdenken.

Vergangene Woche haben wir schon einen Impuls von Pfarrer Wolfram Geiger (hier nachzulesen) und Pfarrvikar Leszek Bartuzi (hier nachzulesen) veröffentlicht.

Den heutigen Impuls gibt uns Pfarrer Ulrich Kastner aus Grünau. Viel Freude beim Lesen!

 

Liebe Gemeinde,

ehrlich gesagt musste ich erst einmal nachschauen, wo genau das Danielbuch in der Bibel steht. Das ist ein bißchen ungewöhnlich für jemanden, der sein Berufsleben lang mit der Bibel zu tun hat.

Aber vielleicht ist das nicht ganz untypisch für das Buch des Propheten Daniel. Denn einerseits ist die Figur des Daniel sehr bekannt. Wer kennt nicht die Bilder und Schilderungen von dem gläubigen Daniel in der Löwengrube, in die er von irgendeinem Bösewicht geworfen wurde – und der dann der Grube mit den hungrigen Löwen wieder unversehrt entsteigt? Aber vielleicht liest man andererseits gerade wegen der großen Bekanntheit eben nicht gleich noch einmal nach, was und wo genau es steht.*

Nicht ganz so bekannt wie die Geschichte von der Löwengrube ist die Vision des Königs Nebukadnezar von dem Koloss mit den tönernen Füßen. Sie findet sich im zweiten Kapitel.

Vorausschicken muss man, dass die große Frage, die über der Geschichte -Israels- schwebt, lautet: Ist der Gott Israels der höchste Gott – oder womöglich doch der Gott der Babylonier? Denn die hatten zuvor Juda mit der Hauptstadt Jerusalem erobert, den Tempel zerstört und dessen heilige Gefäße geplündert.

Die Kriege wurden jedoch nicht nur als militärische Aktionen verstanden, sondern auch als Auseinandersetzungen der jeweiligen Götter. Wenn der Gott Israels nicht verhindern konnte, dass sein Heiligtum zerstört und geplündert wird, bedeutete das vielleicht, dass Jahwe dem Gott der Babylonier unterlegen war? Und wie sollten die unterworfenen Israeliten überleben, ohne ihren Gott, ohne ihre Religion, ohne ihre heiligen Schriften und Riten? Sie hätten sich auch wie viele andere Völker der Vergangenheit auflösen können. Die Bedrohung war existenziell. Mit der Frage nach Gott stellte sich auch die Frage nach dem Überleben Israels. Denn die Babylonier hatten die Einwohner Jerusalems verschleppt. Sie führten sie mit sich in das Exil nach Babylon.

Und dort am Hof des babylonischen Königs Nebukadnezar wurden einige Weise aus den Gefangenen in den Dienst des Königs genommen. Unter ihnen auch Daniel, dessen Name schon andeutet, dass Gott der ist, der richtet – und nicht etwa ein anderer Gott!

Der König des damals mächtigsten Reiches der Welt hatte einen Traum, der ihm Angst machte.

Nun wird der König -trotz seiner unumschränkten Macht- als ein etwas wankender Charakter dargestellt. Er lässt seine Weisen rufen und befiehlt ihnen, seinen Traum zu deuten. So weit, so verständlich. Aber zuvor lässt er -eigentlich etwas überflüssigerweise- den Gelehrten sagen, dass sie mit Strafen zu rechnen haben, wenn sie es nicht können. Und andererseits sollen sie reichlich belohnt werden, wenn es ihnen gelänge, den Traum des Königs zu deuten.

Und dann – erzählt er ihnen seinen Traum NICHT!

Vielmehr sollen sie den Traum des Königs nicht nur deuten, sondern erst auch noch erraten, um welchen Traum es sich handelt! Ein Ding der Unmöglichkeit.

Macht und Verstand gehen nicht immer zusammen.

Der König wird trotz seiner Machtfülle als ein von Ängsten und Stimmungsschwankungen Getriebener dargestellt.

Und so antworten seine Weisen dem König vorsichtig, dass er zuviel von ihnen verlangt. Diese Aufgabe kann kein Mensch lösen. Und wieder kann der König in dieser Antwort nur eine Ausflucht erblicken, er sieht sich umstellt von Menschen, die ihn betrügen wollen: „ich merke, dass ihr Zeit gewinnen wollt“, antwortet er seinen ratlosen Beratern. (Dan 2, 8) Der König hat offensichtlich auch eine Neigung zum Verfolgungswahn.

Allein Daniel stellt sich der Aufgabe des Königs und erbittet von ihm eine Frist. Dann fordert er seine Gefährten auf, mit ihm zu beten und Gott um Hilfe anzurufen. Als er im Traum die Deutung erhält, lobt und dankt er Gott für die Lösung: „Er -Gott- setzt Könige ab und Könige ein, er gibt den Weisen ihre Weisheit und nur bei ihm ist das Licht. Ich danke dir und lobe dich, Gott meiner Väter.“ (Dan 2, 21-23)

In seinem Lobpreis nimmt Daniel schon die Antwort auf die übergroße und erdrückende Frage hinweg: Nicht der Gott der Babylonier, sondern Jahwe, der Gott Israels ist nicht nur der höchste, sondern der einzige Gott! Und ER erhält den Daniel und seine Gefährten -die Gefangenen in Babylon! Und damit können die Israeliten ihre Identität bewahren – auch im Exil, fern des Tempels und Jerusalems.

Daniel berichtet dem König seinen Traum von dem Koloss, der auf tönernen und damit zerbrechlichen Füßen steht. Der König sah eine große, kolossale Statue, die aus einem goldenen Kopf, einem silbernen Oberkörper, einem bronzenen Leib und eisernen Beinen bestand. Die Füße der Statue aber bestanden aus Eisen und Ton – zwei Materialien, die sich nicht vermischen lassen. Diese Statue wird von einem kleinen Stein getroffen, der ihr eigentlich nichts anhaben könnte. Weil der Stein jedoch einen der tönernen Füße trifft, bricht er – und die große Figur stürzt und zermalmt sich dabei selbst: „Eisen, Ton, Bronze, Silber und Gold wurden wie Streu und der Wind verwehte sie, dass man sie nirgends mehr finden konnte.“ (Dan 2, 35)

In der Deutung des Traumes macht Daniel dem wissbegierigen König klar, woher dessen Macht kommt: „Der Gott des Himmels hat dir Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben“ – und wenn ER sie ihm gegeben hat, kann ER sie ihm ja auch wieder nehmen. Aber das muss Daniel gar nicht mehr laut sagen, das versteht der König wohl auch so.

Der König selbst ist das goldene Haupt der mächtigen Statue. Doch seine Nachfolger werden nur noch eine weniger feste Herrschaft errichten können: Sie verhalten sich zu dem König wie die weniger wertvollen Metalle zum Gold. Bis das riesenhafte Reich, der Koloss schließlich auf „tönernen Füßen“ steht, die von einem kleinen Stein zum Platzen gebracht werden.

Von dem Stein heißt es: „Der Stein aber, der das Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg und füllte die ganze Welt.“ (Dan 2, 35)

Es fällt schwer, dabei nicht an den „Eckstein“ zu denken, den die Bauleute verworfen haben, wie es in Psalm 118, 22 heißt. Und wir Christen deuten den Eckstein auf Jesus (Matthäus 21, 42).

Schließlich muss auch der König der Feinde erkennen, dass Gott über alle Götter erhaben ist.

Die Figur des Daniel weist noch auf eine weitere Merkwürdigkeit hin: Das große Trauma der antiken Geschichte Israels ist das Babylonische Exil. Und gegen alle Wahrscheinlichkeit endet dieses Exil – und die weggeführten Jerusalemer, bzw. ihre Nachkommen können tatsächlich zurückkehren. Politisch wurde das möglich durch das Ende der Herrschaft der Babylonier, die von den Persern besiegt wurden, und die eine völlig anderen Umgang mit den unterworfenen Völkern verfolgten. Der König der Perser, der dieses Wunder ermöglichte, wurde mit Kyros/Xerxes identifiziert. Ausdrücklich wird er im Buch Daniel erwähnt (Dan1, 21). Doch von Daniel selbst wird nicht berichtet, dass er sich auf diese sehnlichst erhoffte und wunderbarerweise plötzlich mögliche Rückreise begibt. (Dan 6, 29; 10,1).

Pfarrer Ulrich Kastner, Ev.Kirchengemeinde Bohnsdorf-Grünau

*Und wenn Sie noch einmal selbst nachlesen wollen: Das Buch Daniel steht direkt hinter dem Propheten Hesekiel und noch vor dem Propheten Hosea.

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