Impuls für den Tag – 17.06.2020 – Back to normal?

Impuls für den Tag – 17.06.2020 – Back to normal?

Liebe Gemeinde,

seit einiger Zeit darf man wieder mehr. Da die Infektionszahlen gesunken sind, konnten die Landesregierungen Lockerungen in den Ausgangsbeschränkungen einführen, Restaurants konnten wiedereröffnen, Museen, zuletzt Schulen und Kitas, man darf sich wieder mit mehreren Menschen gleichzeitig verabreden. Natürlich immer noch unter bestimmten Voraussetzungen, aber immerhin.

Und jetzt?

Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Klar kann es sein, dass die Infektionszahlen wieder steigen und es ein erneutes Gebot der Vernunft ist, seine sozialen Kontakte auf Skype und Zoom statt in der Realität zu treffen. Aber mal angenommen, es geht so weiter und weitere Lockerungen können stattfinden: würden Sie wieder genau so weitermachen wie vorher?

Vielleicht freuen Sie sich schon auf Unternehmungen mit Bekannten und Freunden, auf Kurse, die nun endlich wieder stattfinden können (z.B. auch in unserem pastoralen Raum 🙂 ), auf ein bisschen mehr Luft zu Hause, wenn Sie Ihre Kinder nicht mehr ausschließlich zu Hause betreuen müssen, einen Urlaub, der nun doch wie geplant durchgeführt werden kann…

Vielleicht haben Sie in der Zeit des Lockdowns aber auch Manches als wertvoll erlebt, das Sie beibehalten wollen. Mir zum Beispiel hat es gut getan, nicht an mehreren Abenden unter der Woche und fast jedes Wochenende Termine, beruflich oder privat, zu haben. Ich würde diese Art der Entschleunigung gerne – zumindest teilweise – aufrecht erhalten. Wird das möglich sein? Und wenn ja, zu welchem Preis?

Denn wenn nun mehr und mehr Veranstaltungen stattfinden, häufen sich auch die Gelegenheiten, bei denen man gerne dabei wäre, um Freunde und Bekannte zu treffen, oder sich einfach mal wieder blicken zu lassen und ehe man sich‘s versieht, ist der Terminkalender wieder genau so voll wie „vorher“ – natürlich auch mit freudigen Anlässen.

Seit einiger Zeit gibt es für das Phänomen, nichts verpassen zu wollen ein psychologisches Forschungsgebiet und einen Namen: FOMO – the fear of missing out. Besonders getriggert wird diese Angst auch von social media und dem damit verbundenen Vergleich mit Anderen. Aber auch abseits der digitalen Welt könnte sich „the fear of missing out“ jetzt Raum greifen, etwa mit Gedanken wie: „Jetzt haben wir uns so lange nicht sehen können, jetzt müssen wir ja endlich mal wieder was machen.“, „So viele sommerliche Tage konnte ich wegen Corona nicht nutzen, jetzt gilt es keine Zeit zu verlieren.“, „Wer weiß, ob eine zweite Welle kommt, solange nutze ich noch alle Möglichkeiten der Veranstaltungen mit Freunden aus.“ Falls Ihnen solche oder ähnliche Gedanken auch schon gekommen sind, lade ich Sie heute zu einer kurzen Reflexion ein. Es tut gut, sich am Ende eines Tages, aber auch am Ende eines gewissen Zeit- oder Lebensabschnittes Zeit zu nehmen und eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, zu sehen, was gut war und gelungen ist, aber auch, was schwer war und was man jetzt getrost zurücklassen kann. Folgende Schritte können dabei hilfreich sein:

1. beobachten: Lassen Sie die letzten Wochen und Monate noch einmal in sich nachklingen. Versuchen Sie, Episoden, an die Sie sich erinnern, wie in einem Film ablaufen zu lassen. Seien Sie dabei zunächst möglichst neutral: So war es.

2. einordnen: Spüren Sie nach: was hat mir gut getan, was hat mir Freude gemacht, wann und wo habe ich gelacht, wo mich wohl gefühlt? Und wo war dabei Gott anwesend? Wie war ich mit ihm in Kontakt?

Wann und wo war ich traurig und frustriert, was hat mich genervt, wo war ich am Ende meiner Kräfte? Und wo war dabei Gott anwesend? Wie war ich mit ihm in Kontakt?

3. anwenden: Das, was Sinn hatte, darf und will sich entfalten. Wo im Leben Gott gewittert wurde, dem soll nachgegangen werden. Betrachten Sie Ihre Ergebnisse noch einmal, wie ein Künstler, der einen Schritt von seinem Gemälde zurücktritt, damit er das Ganze in den Blick nehmen kann. Welche Situationen will ich verstärken, von welchen halte ich mich jetzt besser fern? Und wie könnte ich dabei im Kontakt mit dem lebendigen Gott bleiben?

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei dieser Spurensuche. Vielleicht stoßen Sie auf das ein oder andere Aha-Erlebnis, das Ihnen zum Wegweiser für die Gestaltung der kommenden Tage und Wochen werden kann. Vielleicht ist es für Sie attraktiv, nicht wieder „back to normal“ zu gehen, sondern Ihre Zeit wieder bewusster zu gestalten. Dann könnte der Gegenspieler von „FOMO“ greifen, der deutlich entspannter klingt: JOMO – the joy of missing out.

Herzliche Grüße,
Magdalena Kiess
Pastoralassistentin

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