Frühlingserwachen | Geistlicher Impuls | 12.05.2021

Frühlingserwachen | Geistlicher Impuls | 12.05.2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Es war, als hätt‘ der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst.“ An diese Textzeile aus dem Gedicht „Mondnacht“ von Josef v. Eichendorff musste ich in den letzten sonnigen Tagen plötzlich denken, als die vielen blühenden Kirschbäume in der Sonne noch viel prächtiger aussahen, als in den regnerischen Tagen zuvor. Es ist schon erstaunlich, wie im Frühling mit den ersten Sonnentagen plötzlich alle Knospen aufbrechen und die Stadt zu einem Blütenmeer wird; wie die Bäume und Wiesen plötzlich satt ergrünen. In Sonnenlicht getaucht und mit Blüten dekoriert wirkt (für mich) alles auf einmal viel schöner, als es an den erst kürzlich vergangenen kalten Regentagen war.

Für mich ist der Frühling – vor allem der Mai – immer etwas Besonderes. Mir scheint, es werden mit den ersten warmen Tagen Bereiche der Seele berührt und „aufgeweckt“, die im Winter wie zugedeckt oder eingeschlafen waren. Nicht umsonst ist der Mai der Gottesmutter Maria geweiht. Oft mit einer Lilie verglichen, ist sie der Inbegriff der Schönheit, des Wachstums und des Aufblühens.

Das Frühlingserwachen zeigt mir, dass Gott es über-gut mit uns meint. Dass er uns nicht nur das gibt, was wir zum leben brauchen, sondern offenbar Überfluss bereit hält und verschwenderisch ist mit seinen Gaben. Selbst wenn nur ein kleiner Teil der Blüten Frucht bringt, ist der Rest nicht überflüssig und sinnlos. Nicht nur die Frucht hat einen Sinn, sondern allein schon die Blütenpracht nährt uns. Sie ist eine Seelennahrung.

Mich stärkt die Vorstellung, dass Gott scheinbar auch Freude hat an „Nutzlosem“, das keine brauchbare Frucht hervorbringt, sondern einfach nur schön ist, einfach nur Freude macht. Vergänglich zwar, aber kurzzeitig erfreulich. So häufig haben wir im pastoralen Team, aber sicher auch Sie in Ihren Arbeits- oder Familienkontexten erleben müssen, dass Vorhaben keine Frucht gebracht haben und Pläne scheinbar „sinnlos“ geschmiedet wurden. Gott hat aber auch Freude am Weg, am Dazwischen, am Vorübergehenden, am bloß Geplanten.

So wie die sonnigen Tage jetzt leider nur eine vorübergehende Oase des Aufwärmens sein konnten, dürfen wir wissen: Es wird ganz sicher Sommer. Und im Dazwischen wünsche ich Ihnen einen sicheren Draht nach oben, der Sie spüren lässt, dass es für die Freude nicht immer ein perfektes Ergebnis braucht.

Herzlich, Ihre

Magdalena Kiess

 

Foto: Tim Rüßmann (unsplash.com)

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