Der,  die und das Heilige | geistlicher Impuls | 01.11.2023

Der, die und das Heilige | geistlicher Impuls | 01.11.2023

Am 1.11. feiert die Kirche wieder Allerheiligen.
Grade zum ausgehenden Jahr begegnen uns viele populäre Heilige, wie der hl. Martin,
die hl. Elisabeth v. Thüringen (19.11.) oder der hl. Nikolaus (6.12), der Freund der Kinder.

Aber was ist denn eigentlich das Heilige, sein Wesen, also das Heilige an sich?
Wir sprechen auch von sakralen Räumen oder sakraler Architektur- „sacer, sacrum“:
im Lateinischen- der, das heilige.

Der bekannte deutsche Religionswissenschaftler, Rudolf Otto, hat zu diesem Thema
vor über hundert Jahren eine beachtliche Studie mit dem Titel: „Das Heilige“ verfasst, die bis
heute als Klassiker der Religionspsychologie gilt.
In allen Religionen, die er intensiv studiert hatte, findet er die Erfahrung, die Menschen

mit dem Übernatürlichen, dem göttlichen Geheimnis, erleben.
Die mystische Erfahrung ist für ihn das entscheidende Phänomen.
Er nennt es auch das „schauervolle Gefühl“oder das „Ergriffensein des Übermächtigen“.
Er charakterisiert dies mit dem Begriffspaar des „tremendum und fascinosum“.
Tremulus im Lateinischen: „zitternd“. Das ganz Andere, das mich zum Zittern und Beben
bringt, das auch erschrecken kann.
Als Beispiel bringt Otto den mächtgen Gott Jahweh, der sein Volk Israel am
Berg Sinai in Blitz und Donner erschreckt- eine archaische Erfahrung der Gottesfurcht.
Gleichzeitig zieht dieser gewaltige Gott sein Volk damit in seinen Bann.
Das Volk spürt eine geheimnisvolle Faszination, die es ergreift und anzieht.
Dieses „fascinosum“ ist die  andere Seite des Göttlichen, die schließlich in die
Verehrung und Anbetung führt.
Das Heilige ist für Otto eben nicht ein Objekt, über das wir frei verfügen können,
sondern immer auch das Übermächtige, das uns Ehrfurcht und Respekt einflößt.

Im Neuen Testament gibt der menschgewordene Christus dem Allmächtigen, Absoluten
ein menschliches Gesicht. Das Heilige wird nun zunehmend  das Sympathische und Liebenswürdige, das von Herz zu Herz spricht.
Rudolf Otto will wohl daran erinnern, daß Gott immer auch ein spannungsvolles Geheimnis
bleibt, das wir nie ganz auflösen können.
Deshalb knien wir Christen auch vor dem Heiligen in der Liturgie
und zeigen so unsere Ehrfurcht vor dem Mysterium. 

Pfr. Bernhard Gewers


Bild: Bernward Fricker
In: Pfarrbriefservice.de

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