In der Stille der Werkstatt zu Nazareth ging ein Mann seiner täglichen Arbeit nach – mit geschickten Händen formte er das Holz, während er dem jungen Jesus das Handwerk lehrte. Der heilige Josef, den wir als Ziehvater Jesu kennen, wird oft als „Josef der Arbeiter“ verehrt und bietet uns auch heute wichtige Impulse für unser Verständnis von Arbeit und Würde.
Die katholische Soziallehre betont seit der wegweisenden Enzyklika „Rerum Novarum“ von Papst Leo XIII. (1891), dass Arbeit mehr ist als bloßer Broterwerb. Sie ist Teil unserer Teilnahme an der Schöpfung Gottes, ein Weg, durch den wir unsere Talente entfalten und zum Gemeinwohl beitragen. Josef verkörpert diese Würde der Arbeit in besonderer Weise.
In unserer heutigen Arbeitswelt stehen wir vor großen Herausforderungen: Die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung verändern Berufsbilder grundlegend. Viele Menschen leiden unter prekären Arbeitsverhältnissen, Überlastung oder der Angst, durch künstliche Intelligenz ersetzt zu werden. Andere finden trotz guter Ausbildung keine angemessene Beschäftigung oder erleben ihre Arbeit als sinnentleert.
Was würde Josef uns heute sagen? Vielleicht dies: Arbeit sollte immer der Person dienen, nicht umgekehrt. Die Würde des Arbeitenden steht über dem Profit. Wie Josef in seiner Werkstatt mit Sorgfalt und Hingabe wirkte, so sind wir aufgerufen, in unserer Arbeit das Menschliche zu bewahren.
Die katholische Soziallehre erinnert uns daran, dass wirtschaftliche Systeme dem Menschen dienen müssen und nicht umgekehrt. Eine gerechte Entlohnung, humane Arbeitsbedingungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Mitbestimmung sind keine Luxusgüter, sondern Grundlagen einer menschenwürdigen Gesellschaft.
Wenn wir an diesem 1. Mai den heiligen Josef als Arbeiter ehren, bitten wir um seine Fürsprache für alle, die unter unwürdigen Bedingungen arbeiten müssen, für die Arbeitslosen und für jene, die unter der Last ihrer Arbeit zusammenbrechen. Möge sein Beispiel uns ermutigen, für eine Arbeitswelt einzutreten, in der der Mensch im Mittelpunkt steht – so wie in der bescheidenen Werkstatt von Nazareth.
Ihr Kaplan Thomas Kaiser
Bild: Marion Mack
In: Pfarrbriefservice.de