Eine ältere Frau erzählte mir, dass sie als Jugendliche an einem Abend mit Freunden tanzen war. Morgens wollten sie dann, leicht angeheitert, nach Hause. Aber daraus wurde nichts. Die leichtlebige Nacht endete in Verzweiflungstränen.
Das war an jenem Sonntagmorgen des 13. August 1961, als Berlin brutal zerteilt wurde. Die Frau blieb in Westberlin, ihr Hab und Gut und eben auch ihre ganze Familie blieb im Osten, über viele Jahre.
Mich haben diese persönlichen Geschichten von Menschen, die den Mauerbau erlebten, immer tief beeindruckt. Nun wurde ich selbst – im Osten groß geworden – von meinem Elternhaus so geprägt, dass ich die Mauer nie als den „antifaschistischen Schutzwall“ ansah, für den ihn Walter Ulbricht und alle ihm folgenden kommunistischen Ideologen ausgaben. Ich fragte mich oft, wenn ich an der Mauer war, warum sie denn gen Osten, also gegen das eigene Volk, so mörderisch gesichert war, wenn es doch der böse Westen sein sollte, der uns bedrohte. So manche Nachfrage in der Schule endete mit einem „Basta“. Ich lernte schon früh, an dieser Geschichte ist etwas faul.
Damals als Theologiestudent half mir auch das Lesen in der Bibel über die Widersprüche der DDR-Ideologie hinweg. Ich erinnere mich, dass ich besonders auch das Wort aus dem 1. Buch Samuel liebte: «Mit meinem Gott überspringe ich Mauern». Jeder Gläubige, der sich mehr Freiheit wünschte und sich kritisch mit der DDR-Diktatur auseinandersetzte, kannte und liebte diesen Bibelvers.
Diese Worte sprach ein Mann, der ein Leben voll Höhen und Tiefen hinter sich hatte, ein Mann, der bittere Enttäuschungen erleben musste, der aber auch herrliche Erfahrungen mit seinem Gott machen konnte. Ein Herrscher mit grenzenlosem Gottvertrauen.
Ich wünschte mir heute manchmal, dass wir etwas von dieser Freude und Zuversicht des David leben könnten und Mauern, wo auch immer sie aufgerichtet sind, überwinden.
Denn sie haben etwas Endgültiges: hier geht’s nicht weiter. Aus der Bibel lese ich: es geht immer weiter, es gibt immer Lösungen und es gibt immer Zukunft.
Mathias Laminski, Pfr.
Beitragsbild: Peter Weidemann
In: Pfarrbriefservice.de
